1920
Nach dem der Gesangverein durch den Krieg seit 1914 geruht hatte, haben sich einige ältere Mitglieder, darunter Martin Kehrer, Jakob Zeeb , Gärtner Georg Schneider, Wilhelm Buck, Christoph Bader und Konrad Schneider Gedanken gemacht den Verein wieder aufleben zu lassen. In einer spontan einberufenen Versammlung wurden neue Mitglieder gewonnen. Hauptlehrer Mozer konnte als Dirigent gewonnen werden. Er konnte bald 36 Sänger um sich scharen und mit den Singstunden im Gasthaus “Rose“ beginnen. Am 13.November fand die erste Generalversammlung nach dem Kriege im Gasthaus zur Rose statt. Per Akklamation wurde Vorstand Kehrer (Hier zu sehen neben Dirigent Schober bei der Fahnenweihe 1936) in seinem Amt bestätigt, ebenfalls Schriftführer Heinrich Schneider und Kassier Buck. das Vereinsvermögen wurde auf 130 Mark und 33 Pfennige Festgestellt.
1921, 1922, 1923
Im Jahre 1921 wurde vom Dirigenten erstmals vervielfältigte Notenblätter verteilt. Im Herbst wurde wieder eine Weihnachtsfeier vorbereitet, die mit einer Lotterie verbunden wurde.
Nachdem Kassier Buck sein Amt bei der Generalversammlung am 22. Januar 1922 zu Verfügung stellte fand man in Karl Häußler einen neuen Kassenverwalter. Auch wurde wieder eine Strafkasse für unentschuldigtes Fehlen eingeführt, die von Jakob Zeeb verwaltet wurde .
Auszug aus der Satzung:
“Welcher später als eine halbe Stunde nach Beginn der Singstunde kommt, zahlt 50 Pfennig, wer unentschuldigt die ganze Singstunde wegbleibt 1 Mark. Entschuldigung zahlt keine Strafe, muß aber längstens bei Beginn der Singstunde gemacht werden.“
Die Schatten der Geldentwertung fiel auch auf den Liederkranz. Aufgrund der Inflation wurde der Mitgliedsbeitrag auf 60 Mark erhöht. Das mühsam erarbeitete Guthaben von 600 Mark verlor seinen Wert.
1924
Das Jahr stellte den Gesangverein auf eine neue harte Probe. Die Geldentwertung hatte den Kassenbestand auf null Gesetzt, auch Dirigent Mozer mußte sein Amt aus gesundheitliche Gründen aufgeben. Erst die Generalversammlung am 2.März in der “Rose“ löste die Sorgen durch den Beschluß, daß der Gesangverein weiter bestehen und vorläufig in der Woche eine Singstunde sein sollte. Lehrer Oskar Mörk (an der hiesigen Schule tätig von 1921 – 1925) machte die Zusage, daß er das Dirigentenamt übernehmen werde. Bei der Neufestsetzung der Beiträge blieb die Vereinsführung eher bescheiden: 20 Pfennige im Monat für aktive und 1 Mark Jahresbeitrag für passive Mitglieder genehmigte dann auch die Generalversammlung.
1925
Bei der Generalversammlung am 31.01.1925 konnte Kassier Jakob Zeeb auch stolz auf einen ersten Überschuß von 141,75 Mark verweisen, der allerdings mehrheitlich aus dem Ertrag der Weihnachtsfeier stammte. Es wurde beschlossen den Monatsbeitrag auf 40 Pfennige zu erhöhen, um das Weitersingen des Gesangsverein zu ermöglichen. Auch dachte man an die Beschaffung einer Vereinsfahne als weiteres Symbol mit guter Außenwirkung bei Veranstaltungen auswärtiger Vereine. Weil die Dienstzeit des Lehrers Oskar Mörk an der hiesigen Schule abgelaufen war wurde am 04. November eine außerordentliche Versammlung einberufen um die Dirigentenfrage zu lösen. Vorstand Kehrer wurde der Auftrag erteilt mit Hauptlehrer Paul Eisele (seit 09. April an der hiesigen Schule tätig) zu verhandeln wegen Übernahme des Dirigentenamtes.
1926, 1927
Bei der Generalversammlung 1926 wurde beschlossen den Monatsbeitrag bei den Sängern auf 30 Pfennige zurückzunehmen. Die Frühjahrsfeier im März wurde zu einem vollen Erfolg. Es wurde eine Tombola ausgelost zu der jedes Vereinsmitglied einen Gewinn stiftete, weiter wurde ein Theaterstück aufgeführt welches reichen Beifall erhielt. 1927 wurde erstmals an 5 Mitglieder für 25-jährige aktive Sängerzeit ein Ehrendiplom verliehen.
Martin Kehrer, Vorstand
Georg Schneider, Gärtner
Johannes Buck, Bauer
Christoph Bader, Lammwirt
Matthias Buck, Rosenwirt
Die Diplome überreichte Jakob Zeeb
In den Endzwanziger Jahren wurde es verhältnismäßig ruhig um den Gesangsverein, die Protokolle werden dünner und setzten zuweilen ganz aus.
1931, 1932, 1933
Nachdem die Singstunden längere Zeit ausgefallen waren, konnte im Frühjahr 1931 die Dirigentenfrage wieder gelöst werden. Am 30. April 1931 haben sich 27 seitherige Mitglieder im Gasthaus zum „Lamm“ versammelt und einstimmig das Weitersingen beschlossen. Die Aussicht, daß Lehrer Otto Straub den Männerchor leiten wird, hat eine große Begeisterung ausgelöst und die sangeslustigen Männer dazu beflügelt, zur ersten Singstunde -durch Ausschellen- auch “Fräulein von 18 Jahren an aufwärts“ einzuladen.
Die Weihnachtsfeier wurde wieder zum festen Bestand des Jahresprogramms und für Martin Kehrer der nun schon seit 1906 dem Verein als 1.Vorsand gedient hat, war es eine Beruhigung, bei der Generalversammlung 1932 den Liederkranz mit seinen 43 Sänger in geordneten Verhältnissen dem neugewählten 1.Vorstand Erwin Schenk übergeben.
Als Dank und Anerkennung für seine 26jährige Vorstandsarbeit wurde Martin Kehrer zum Ehrenvorstand ernannt.
Der 17.April 1932 , Tag der Orgelweihe, war ein Festtag für die ganze Gemeinde, der auch vom Liederkranz mitgestaltet wurde. Unter Leitung von Otto Straub sang der Männerchor unter anderem auch das Sonntagslied “So feierlich und stille“.
Die Sänger, die in der Öffentlichkeit immer wieder zusätzliche Arbeiten übernehmen mußten, sahen sich in der Generalversammlung von 1932 mit einer neuen Sonderaufgabe konfrontiert:“Sänger die Zeit haben, sollen einen Wagen Holz sammeln zum Einheizen in den Singstunden … auf vorheriges anfragen beim Bürgermeisteramt“. 1932 wurde auch eine Regelung für den Totensonntag getroffen. Was bisher sporadisch geschah, soll jetzt Dauer haben:“ Am Totensonntag gehen wir alljährlich mit dem Turn- und dem Schützenverein auf den Friedhof und singen ein Lied. Alle drei Vereine kaufen miteinander einen Kranz, der am Kriegerdenkmal niedergelegt wird.
Der letzte Eintrag im Protokollbuch vor der Neugründung läßt aufhorchen und führt den nachfolgenden Generationen vor Augen, in welch autoritäres politisches Umfeld auch unsere Vereine geraten sind.
1934
Bei einer gut besuchten Versammlung im Gasthaus Lamm am 19. April wurde beschlossen, den Öschinger Gesangverein wieder ins Leben zu rufen , nachdem der erst vor kurzem an die Öschinger Schule gekommene Hauptlehrer Hermann Schober sich bereitfand, dem Liederkranz als Dirigent vorzustehen. Der bisherige Vorstand Erwin Schenk beantragte eine Neuwahl, aus der dann Kaufmann Willy Majer zum neuen Vorstand gewählt wurde. Unter Dirigent Schober wurde nun an zwei Abenden in der Woche geübt, und schon für den 1.Mai wurde der erste öffentliche Auftritt geplant. Der Beitritt zum Uhlandgau kostete den Verein viel Geld. Um den Mitgliedsbeitrag von 58 Mark finanzieren zu können, blieb nichts anderes übrig, als von jedem Mitglied 1,50 Mark zu verlangen und den Monatsbeitrag wieder auf 40 Pfennig zu erhöhen. Der Verein nahm im Sommer einen beachtlichen Aufschwung. Die Singstunde am 22.Oktober geht als besonders Denkwürdig in die Annalen des Liederkranzes ein. In einer Ausschußsitzung nach der Singstunde, die sich vorwiegend mit der Vorbereitung zur Weihnachtsfeier befaßte, legte Hermann Schober seine neueste Idee auf den Tisch.: Gründung eines gemischten Chores an den Männerchor angegliedert. Und man hatte für die Weihnachtsfeier schon den gemeinsamen Auftritt ins Auge gefaßt.
Die Weihnachtsfeier unter Dirigent Schober wurde zu einem vollen Erfolg.
1935
Noch nie gingen die Sänger so zufrieden von einer Generalversammlung nach Hause wie im Januar 1935, weil der Gesangverein auf ein recht erfolgreiches Jahr zurückblicke konnte.
Auszug aus einem Zeitungsbericht vom 23.Januar 1935
Der Liederkranz hielt am Sonntag seine Generalversammlung im Lamm ab. Vorstand Majer konnte eine stattliche Anzahl Sänger und Sängerinnen begrüßen…. Als wichtigstes Ereignis des vergangenen Jahres ist die Angliederung eines gemischten Chores an den Männergesangverein zu erwähnen….
Aus der Vereinsstatistik geht hervor, daß der Verein heute insgesamt 98 Mitglieder zählt. Die Tagesordnung brachte zunächst den Kassenbericht. Zum 1. Schriftführer wurde Kaufmann Karl Reich ernannt und zum 2. Schriftführer Viktor Rein. Ein weiterer Punkt betraf die Beitragsfrage. Eine Einigung wurde jedoch bald erzielt. Die Abstimmung erbrachte die vorläufige Beibehaltung des bisherigen Zustandes. Sodann gab Dirigent Schober noch einen Bericht über die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr. Für das kommende Jahr hat der junge Verein ein großes Ziel vor sich: das Kreisliederfest in Tübingen. Es gilt für den Liederkranz, zum erstenmal vor ein Preis- und Wertungsgericht zu treten. Am 20. Juli -am Abend vor dem großen Sängerfest in Tübingen- wurde der Preischor am Lindenstiegel im Freien gesungen, verbunden mit einem ergreifenden Appell des Chorleiters an seine Sänger, das Beste zu geben. Mit der Note “ gut “ kehrten die Sänger am Abend des Sängerfestes heim. Das Tübinger Sängerfest hat aber wieder einmal gezeigt, daß der Liederkranz Öschingen zu den wenigen Vereinen im zählt, die noch keine Vereinsfahne haben. Karl Reich beschreibt diesen Mangel im Protokoll so: “ Die Fahne symbolisiert den Verein und dient nicht zuletzt dazu, den Verein zusammenzuhalten. “ In einer Ausschußsitzung betr. Fahnenweihe bat Vorstand Mayer die Ausschußmitglieder sich in den nächsten Wochen Gedanken zu machen über die Möglichkeit der Veranstaltung einer Fahnenweihe im nächsten Jahr.
Protokollauszug betr. Klavier vom 28.11.35:
Durch Hinweis des Sängermitglied Georg Schneider ist es dem Verein gelungen, preislich außerordentlich günstig (25 Mark) ein gebrauchtes Klavier zu kaufen. Dadurch ist der bei der letzten Generalversammlung noch für nicht durchführbar erachtete Plan, der Beschaffung eins eigenen Übungsinstrumentes, plötzlich zur Tatsache geworden.
Die Protokolle von 1936 bis 1945 wurden als lose Blätter geführt und sind bei den Ereignissen im Frühjahr 1945 teilweise in Verlust geraten.
Was jahrelang in Ausschußsitzungen kritisiert wurde, konnte 1936 endlich in die Tat umgesetzt werden, nämlich die Beschaffung einer Vereinsfahne und deren feierliche Übergabe am 13. und 14. Juni. (FOTO) Seit Jahresbeginn hatten sich die Mitglieder auf das seither größte Fest des Vereins und der Gemeinde insgesamt vorbereitet . Die Teilnahme der Vereine aus der Nachbarschaft zeigte die große Resonanz weit über das Steinlachtal hinaus. Den Festabend am Samstag bestritt der Liederkranz in eigener Regie unter der Leitung von Hauptlehrer Hermann Schober. Trotz guter Einnahmen beim Fest und einer Spende der Trikotfabrik Christian Schöller KG, aus Anlaß ihres 25-järigen Bestehens in Öschingen, in Höhe von 100 Mark blieb für die Substanz des Vereins nicht viel übrig. Am Jahresende betrug der Kassenbestand gerade mal 160,77 RM. Die Nebenkosten haben den zunächst guten Erlös, zu dem die rund 1500 Festbesucher beigetragen hatten fast aufgezehrt. Trotzdem war es möglich, den Sängerinnen und Sängern mit zwei Dritteln der Fahrtkosten einen Vereinsausflug nach Winterlingen zu finanzieren. Der Gesangverein “Eintracht “ aus Winterlingen hatte schon am 3.Juni 1934 den Liederkranz Öschingen besucht, um Hauptlehrer Schober den Wechsel nach Öschingen zu erleichtern. Hauptlehrer Hermann Schober war zuvor in Winterlingen als Dirigent tätig. Auch im Jahre 1937 haben die Mitgliedsbeiträge und der Erlös aus der Frühjahrsfeier im Lammsaal gerade gereicht, um die anfallenden Kosten zu bestreiten, wobei der Dirigent seit Jahren für seine Mühen nur 3 Mark pro Singstunde bekam. Eine Abordnung des Liederkranzes besuchte am 25. Mai das 34. Schwäbische Sängerfest in Stuttgart. Der musikalische Höhepunkt im Jahre 1939 war zweifellos die Silcherfeier im Lammsaal am 15.Mai. Friedrich Silcher wurde am 27.Juni 1789 in Schnait im Remstal geboren, und Dirigent Schober lies es sich nicht nehmen, im Jahr des 150. Geburtstags des großen Schwäbischen Musikers die übliche Frühjahrsfeier in eine Silcherfeier umzuwandeln. In der Mitgliederliste wurden schon die ersten Einberufungen zum Militär vermerkt. Trotz immer größerer Ausfälle durch Einberufungen konnte 1940 die Singstunde für den gemischten Chor in lockerer Folge fortgesetzt werden, es gab aber keine Frühjahrsfeier mehr. Die Vereinsmitglieder haben bei der Generalversammlung am 11.Februar über 40 Mark gesammelt, die wenige Tage später für weitere Feldpostpäckchen verwendet wurden. Im Jahr 1941 waren bereits 42 Mitglieder des Vereins zum Militär einberufen worden. Trotzdem wurden noch 35 Singstunden von Herrn Schober abgehalten. Die Einberufungen wurden 1942 immer mehr und es wurden, neben Verwundeten und Vermißten, auch schon Gefallene registriert. In 35 Singstunden hat Dirigent Schober das Singen aufrecht erhalten und den Beteiligten wenigstens einen Abend in der Woche etwas Entspannung und Geselligkeit hinter den verdunkelten Fenstern des Schulsaals geboten. Mit 143.20 RM Monatsbeiträgen konnte sich der Verein gerade noch über Wasser halten, dabei schlug der Beitrag zum Uhlandgau mit 24 RM hart zu Buche. Im laufe des Jahres 1943 sind noch sechs junge Frauen dem Verein beigetreten. Es wurden noch 29 Singstunden abgehalten. Das ganze Kassenwesen erstreckte sich auf acht Ausgaben, wovon sich vier auf die Abrechnung von Singstunden bezog. Die Monatsbeiträge schrumpfte auf 80 Reichsmark. Am 31 Juli wurde Ehrenvorstand Martin Kehrer zu Grabe getragen. Bis in den Sommer 1944 wurden noch 21 Singstunden abgehalten, dann kamen immer weniger Sängerinnen und Sänger ins Übungslokal im Schulhaus. Bis zum Februar 1945 gab es dann auch nur noch zehn Singstunden. Die Hochzeit von Fritz Eisler am 2. Februar war der letzte Auftritt des Gesangvereins in der Öffentlichkeit.